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Ein gutes Verständnis von Verletzungen, Wunden und Wundversorgung ist heutzutage wichtiger denn je. Multiple Krisenherde überall auf dem Globus und eine überalternde Gesellschaft konfrontieren Ärzte und Pflegekräfte täglich mit der Herausforderung, akute und chronische Wunden richtig zu beurteilen und zu behandeln. Immer wichtiger wird daher auch die Rolle von spezialisierten Wundexperten, die tiefergehende Kompetenzen bei der Wundversorgung besitzen. Sie spielen eine Schlüsselrolle bei der Förderung der Wundheilung, der Vermeidung von Komplikationen und der Prävention von neuen Verletzungen. Mehr zur Wundversorgung erläutert dieser Artikel.
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Was ist Wundversorgung?
Wundversorgung im klassischen Sinne beinhaltet die Reinigung und medizinische Versorgung von Wunden. Dies ist allerdings nur ein Teilbereich des Wundmanagements. Das Wundmanagement reicht von der Anamnese über die Wundversorgung bis hin zur Wunddokumentation. Dies wird immer häufiger in die Hände von Wundexperten gegeben, denn effektives Wundmanagement ermöglicht eine Reduktion der Schmerzen und eine Verbesserung der Lebensqualität der Patienten.
Was ist eine Wunde?
Eine Wunde ist jeglicher Gewebedefekt mit Integritätsverlust der Haut und gegebenenfalls darunterliegende(n) Struktur(en). Dabei kommt es zu einer Unterbrechung der wichtigen Schutzbarriere zwischen dem Körperinneren und der Umgebung.
Der Aufbau einer Wunde besteht aus Wundrand (Übergang zwischen Wunde und intakter Haut), Wundumgebungshaut und Wundgrund („Wundbett“). Der Wundgrund kann zusätzlich mit Ablagerungen (z.B. Fibrin, Nekrosen oder Eiter) verunreinigt sein, die die Wundheilung verlangsamen.
Je nach Grösse, Wundursache und Beschaffenheit bzw. Zustand der Wunde lassen sich diese ausserdem unterscheiden.
Chronische Wunden
Während eine akute Wunde relativ schnell und komplikationslos abheilt, sind chronische Wunden selbst nach einem Zeitraum von acht Wochen noch nicht verschlossen.
Wundversorgung – Ziele und Grundsätze
Die Wundversorgung hat zum Ziel, die Wunde fachgerecht zu versorgen, den Heilungsprozess zu beschleunigen und Komplikationen wie Infektionen oder Wundheilungsstörungen vorzubeugen. Um dies gewährleisten zu können, sollte eine Pflegekraft, die (chronische) Wunden versorgt, laut Expertenstandards des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) folgende Kompetenzen besitzen:
- Kommunikationsfähigkeit und gutes Zuhören im Patientengespräch
- Aktueller Wissensstand zur Behandlung von Einschränkungen, die mit Wunden in Verbindung stehen
- Kenntnisse zur Planung, Durchführung und Auswertung krankheitsbezogener Massnahmen
- Aktuelles und tiefgreifendes Wissen zur Wundbehandlung, Vorbeugung und Hautschutz
Beratungsfähigkeit - Kompetenz, um den Heilungsverlauf von Wunden beurteilen zu können.
Wundversorgung – Diagnostik
Eine verantwortungsbewusste Wundversorgung beinhaltet sowohl eine gründliche Anamnese mit Rekonstruktion des Unfallmechanismus und Kontrolle des Impfstatus als auch eine körperliche Untersuchung, in der die Wunde nach Verletzungsmuster beurteilt wird. Dabei gilt das Augenmerk vor allem:
- dem Alter der Wunde
- dem Ausmass (Länge, Breite und Tiefe, Wundränder, eventuelle Begleitverletzungen)
- der Art der Wunde
- dem Verschmutzungsgrad
Zudem sollten insbesondere bei Wunden an den Extremitäten die Durchblutung, Motorik und Sensibilität der umgebenden Region untersucht werden. Auch das Vorhandensein von Fremdkörpern oder Schwellungen sollte überprüft und gegebenenfalls weitere bildgebende Diagnostik veranlasst werden.
Wunddokumentation
Besonders bei chronischen Wunden ist eine gewissenhafte Wunddokumentation nötig, um den Heilungsfortschritt zu erfassen und potenzielle Komplikationen schnell zu erkennen. Zur Dokumentation gehört einerseits die Erfassung der Diagnose und die Wundmessung (auch mittels Lineals oder Bildgebung) und andererseits eine genaue Beurteilung der Wundfläche, des Wundrands und der Wundumgebung.
Zudem muss die Qualität von eventuellem Exsudat (serös, eitrig, auffälliger Geruch), der bisherige Therapieverlauf und begleitende Massnahmen (wie Druckentlastung oder Kompression) schriftlich festgehalten werden.
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Wundversorgung – Varianten
Wie genau eine Wunde versorgt werden muss und welche Materialien dabei eingesetzt werden, hängt stark von der Art der Wunde und dem Heilungsmuster ab: handelt es sich um eine akute oder eine chronische Wunde und heilt sie primär oder sekundär? Je nach Situationslage kommt dann eher die konventionelle oder die moderne Wundversorgung zum Tragen. Mehr zu den verschiedenen Varianten erläutern die nachfolgenden Abschnitte.
Primäre Wundversorgung
Eine primäre Wundheilung kann erfolgen, wenn eine Wunde sauber ist und wenig Gewebeverlust und glatte Wundränder aufweist. Die Wundränder können direkt unter Bildung einer schmalen Narbe zusammenwachsen. Der Wundspalt heilt störungsfrei ab. Je nach Wundursache kann es nötig sein, diesen Zustand operativ herzustellen.
Zu den klassischen primär heilenden Wunden zählen beispielsweise postoperative Wunden. Von einer primären Wundversorgung spricht man, wenn der Wundverschluss in einem Zeitraum von sechs bis acht Stunden nach dem Verletzungsvorfall stattfindet. Die Wunde wird zunächst gereinigt, danach – falls nötig – mit einer Wundnaht, Gewebekleber oder Klammerpflastern verschlossen und mit einer geeigneten Wundauflage abgedeckt.
Sekundäre Wundversorgung
Ist ein primärer Wundverschluss nicht möglich (zum Beispiel bei sehr grossflächigen, klaffenden oder infizierten Wunden), muss die Wunde sekundär abheilen. Dafür muss zunächst Granulationsgewebe gebildet werden, das die Wunde vom Grund her auffüllt: die Wundheilung ist von der Tiefe nach oben und von aussen nach innen zu beobachten. Der Wundschluss dauert wesentlich länger und es bilden sich grössere Narben.
Bei der sekundären Wundversorgung wird die Wunde zunächst offen behandelt und regelmässig mit antiseptischen Wundspülungen gesäubert. Häufig ist auch ein Debridement erforderlich, bei dem Gewebe sowohl vom Wundrand als auch aus der Tiefe entfernt wird. Hiermit soll die Heilung des Defekts gefördert werden. Liegt nachweislich keine Infektion (mehr) vor, kann die Wunde über eine plastische Sanierung des Hautdefekts, beispielsweise mittels Hauttransplantation, sekundär chirurgisch verschlossen werden.
Konventionelle Wundversorgung
Die „klassische“ oder auch „konventionelle“ Wundversorgung ist die Behandlung von Wunden mit trockenen Verbandsstoffen wie Pflaster, Binden, Mull- und Vlieskompressen, Tamponaden sowie Tupfern. Sie decken die Wunde ab und schützen zuverlässig vor Feuchtigkeit, Verschmutzung oder Krankheitserregern.
Diese Art der Wundversorgung wird heute tendenziell eher bei kleineren, akuten Wunden eingesetzt, die primär heilen können (zum Beispiel Schürf- oder Schnittwunden). Sie sind schnell und unkompliziert auch für Laien anzulegen und sollten in keiner Hausapotheke fehlen. Allerdings besteht auch die Gefahr, dass solche Wundauflagen die Wunde austrocknen und somit bewirken, dass heilungsfördernde Enzyme, Wachstumsfaktoren und Nährstoffe im Wundgrund absterben – der Heilungsprozess verzögert sich dadurch deutlich.
Auch passiert es häufig, dass klassische Wundauflagen mit dem Wundbett verkleben. Dies kann beim Abzug der Wundauflage eine Neutraumatisierung der Wunde verursachen. Schliesslich sind klassische Wundauflagen auch schlecht für grosse, stark sezernierende oder chronische Wunden geeignet, denn sie feuchten schnell durch und vergrössern damit das Infektionsrisiko.
Moderne Wundversorgung
Im Gegensatz dazu liegt der Schwerpunkt der „modernen“ Wundversorgung auf der Aufrechterhaltung eines idealfeuchten Wundmilieus. Man weiss heute, dass ein solches Mikroklima eine bessere Wundheilung garantiert, denn die Entstehung von Wundschorf wird vermieden, neue Gewebezellen können im idealfeuchten Wundmilieu besser wachsen und die Wunde wird vor eindringenden Keimen geschützt. Ausserdem bilden sich weniger Narben.
Diese Art der Wundversorgung kommt häufig bei chronischen, infizierten oder stark nässenden Wunden zum Einsatz. Moderne Wundauflagen bestehen aus hydroaktivem Material und besitzen oft eine Beschichtung, die das Verkleben mit der Wunde reduziert. Die Art der Wundauflage sollte passend zu den Bedürfnissen des jeweiligen Wundheilungsstadiums ausgewählt werden und kann Materialien wie Schaumstoff, Alginate, Hydrokolloide/Hydrogele, Silikon und Hydrofasern umfassen.
Versorgung von akuten vs. chronischen Wunden
Während man akute Wunden meist primär versorgt, kommen sekundäre Heilungsprozesse vor allem bei chronischen Wunden vor (zum Beispiel Dekubitus bei bettlägerigen Patienten). Grundsätzlich gilt bei chronischen Wunden, dass die Grunderkrankung mitbehandelt werden muss, um eine nachhaltige Heilung zu erzielen.
Die Wundversorgung zielt darauf ab, die Wunde zu verkleinern bzw. vollständig und dauerhaft zu verschliessen, Schmerzen und psychische Belastung zu reduzieren und Lebensqualität zu steigern. Dazu wird die Wunde regelmässig gereinigt und mit heilungsfördernden Wundauflagen versehen. Die Frequenz der Verbandswechsel sollte an die Grunderkrankung und die Erfordernisse der Wunde angepasst sein.
Erstversorgung
Eine Wunde ist dann ein Fall für den Arzt, wenn
- eine starke oder schlecht zu stillende Blutung vorliegt
- die Wunde stark verschmutzt ist und sich nicht mithilfe von Antiseptika reinigen lässt
- es sich um Bisse, Brandverletzungen oder Platzwunden handelt
- starke Schmerzen in der Wundumgebung auftreten
Schon vor der Erstversorgung im Spital sollten akute Wunden mit sterilen Kompressen oder Tüchern abgedeckt und vor dem Auskühlen geschützt werden (ggf. ist auch ein Druckverband sinnvoll). Im Spital wird die Wunde anschliessend chirurgisch versorgt. Dies erfolgt in der Regel durch eine gründliche Wundreinigung, eine Wundspülung und einen Wundverschluss. Anschliessend wird die Wunde mit einer geeigneten Wundabdeckung versehen. Je nach Situation folgen weitere Therapiemassnahmen (beispielsweise antibiotische Therapie bei erhöhtem Infektionsrisiko, Impfung oder stationäre Aufnahme).
Wundversorgung je nach Wunde
Verschiedene Wundarten erfordern auch eine differenzierte Wundversorgung. Hierzu gehören:
Typ der Wunde Entstehung und Wunde Wundversorgung Schürfwunden
Schnittwunden
Stichwunden
Risswunde
Platz- und Quetschwunden
Schusswunden
Ablederungen/Decollements
Amputationsverletzungen
Bisswunden
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Wundversorgung – Komplikationen und Risiken
Generell gilt, dass eine fachgerechte Wundversorgung das Risiko für Wundheilungsstörungen und Infektionen entscheidend verringert. Dennoch können Komplikationen auftreten. Wundheilungsstörungen sind insbesondere bei chronischen Grunderkrankungen wie Diabetes mellitus oder Durchblutungsstörungen häufig. Auch Nikotinabusus und die Einnahme von Medikamenten wie Zytostatika, Immunsuppressiva oder Antikoagulanzien können dafür verantwortlich sein, dass Wunden nicht phasengerecht abheilen.
Die Reduktion solcher Risikofaktoren ist für den Krankheitsverlauf von essenzieller Bedeutung, denn je länger der Heilungsprozess einer Wunde dauert, umso wahrscheinlicher ist es, dass sich infektiöse Keime im Gewebe ausbreiten können.
Bei einer Wundinfektion ist das betroffene Hautareal gerötet, schmerzhaft oder geschwollen, möglicherweise tritt auch Eiter aus. In dem Fall muss die Wunde sorgfältig gereinigt und gespült, eine Wundabdeckung mit ausreichendem Luftaustausch gewählt und eine antibiotische Therapie eingeleitet werden. In sehr schlimmen Fällen muss eine chirurgische Sanierung der Wunde erfolgen. Auch der Impfstatus insbesondere gegen Tetanus und Tollwut muss überprüft werden.
Eine weitere mögliche Komplikation ist die Bildung von wulstigen Narben, die als unästhetisch und schmerzhaft empfunden werden. Diese können in der Regel durch eine Narbenkorrektur ausgebessert werden.
Wundversorgung zuhause
Insbesondere kleinere Wunden können bereits zu Hause erstversorgt werden. Dafür sollte Folgendes vorhanden sein:
- Antiseptika, anwendbar auf offenen Wunden und Schleimhäuten
- Tupfer und Kompressen, steril verpackt
- Verbände und Mullbinden inklusive Befestigungsmaterial
- Pflasterstreifen in unterschiedlichen Grössen
Es ist notwendig, auf eine entsprechende Händehygiene zu achten, wenn Wunden erstversorgt werden. Die Blutstillung ist die erste und wichtigste Massnahme. Kleine Verletzungen können bereits durch ein Pflaster versorgt werden; bei stärkeren Blutungen sollten mehrere sterile Kompressen mit Hilfe einer Mullbinde um die Wunde gewickelt werden. Falls nötig kann auch ein Verbandspäckchen zwischen Kompresse und Mullbinde gelegt werden, um die Blutgefässe zu komprimieren.
Nur in lebensbedrohlichen Ausnahmefällen sollte das betroffene Körperteil jedoch abgebunden werden, denn gerade an den Extremitäten kann eine Unterversorgung des Gewebes mit Sauerstoff schnell zur späteren Amputation führen. Besser ist es, das Körperteil hochzulagern, um die Blutung zu verringern. Bei anhaltender oder starker Blutung sollte aber umgehend ein Arzt aufgesucht oder der Rettungswagen benachrichtigt werden.
Passende Jobs im Gesundheitswesen
Wer aktuell auf der Suche nach einer neuen Stelle im Gesundheitswesen ist, wird bei Medi-Karriere fündig. Hier gibt es Jobs als Wundexperte, Stellen als Rettungssanitäter sowie weitere Jobangebote im Rettungsdienst.
- Amboss, https://next.amboss.com/... (letztes Abrufdatum: 08.06.2024)
- Keller, C., Radatz, A. (2024): Pflegewissen Wunden, Deutschland: Elsevier Health Sciences, https://www.google.ch/... (letztes Abrufdatum: 08.06.2024)
- Protz, K., Timm, J. H. (2022): Moderne Wundversorgung: Praxiswissen, Standards und Dokumentation, Deutschland: Elsevier Health Sciences, https://www.google.ch/... (letztes Abrufdatum: 08.06.2024)
- Draco, Wunden und die verschiedenen Wundarten, https://www.draco.de/... (letztes Abrufdatum: 08.06.2024)
- Draco, Wundversorgung – ein Überblick, https://www.draco.de/... (letztes Abrufdatum: 25.06.2024)
- Draco, Klassische Wundversorgung, https://www.draco.de/... (letztes Abrufdatum: 08.06.2024)
- Bode, T., Horn, T., Schüning, A. (2021): Wundmanagement – Wundversorgung in der täglichen Praxis, Deutschland: Thieme, https://www.google.ch/... (letztes Abrufdatum: 08.06.2024)