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Kreisrunder Haarausfall ist unter den Haarverlusten die zweithäufigste Form. Etwa eine von 50 Personen erkrankt im Laufe ihres Lebens daran. Auch wenn die Krankheit schon lange bekannt ist, besteht bezüglich der genauen Ursache bisher noch weitestgehend Unklarheit. Betroffene haben häufig einen hohen Leidensdruck, denn Haare steuern stark zum äusseren Erscheinungsbild bei. Dieser Artikel befasst sich ausführlich mit Ursachen, Symptomen und Diagnose sowie der Therapie des kreisrunden Haarausfalls.
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Was ist kreisrunder Haarausfall?
Kreisrunder Haarausfall wird in der Medizin auch als “Alopecia areata” bezeichnet. Bei dieser Erkrankung kommt es zum plötzlichen Verlust der Haare, meist in runden Arealen an der Kopfhaut. Allerdings kann der Haarverlust je nach Variante von einzelnen Stellen bis hin zum vollständigen Verlust aller Haare an Kopf und Körper reichen. Dabei ist der Haarverlust meist reversibel, die Haare wachsen also wieder nach, und geht ohne Vernarbung einher.
Wie häufig ist kreisrunder Haarausfall?
Schätzungen zufolge sind circa 0.2 Prozent der Weltbevölkerung an Alopecia areata erkrankt. In der Schweiz beläuft sich die Patientenzahl vermutlich auf 85´000 bis 175´000 Menschen, die früher beziehungsweise aktuell erkrankt sind oder zukünftig erkranken werden. Die Erkrankung betrifft oftmals Kinder und junge Menschen, der Häufigkeitsgipfel liegt zwischen dem zehnten und dem 30. Lebensjahr. Zwischen den Geschlechtern gibt es keine Häufigkeitsunterschiede. Das Lebenszeitrisiko für Alopecia areata, also das Risiko, mindestens einmal im Leben daran zu erkranken, liegt bei zwei Prozent.
Kreisrunder Haarausfall – Ursache
Die genaue Ursache für den kreisrunden Haarausfall ist bisher noch unbekannt. Vermutlich spielt eine Autoimmunreaktion eine entscheidende Rolle, bei der die Haarfollikel angegriffen werden. Bei diesem Prozess stehen vor allem T-Zellen im Vordergrund. Da die Haarfollikel die Haarwurzeln normalerweise umgeben und dadurch das Haar in der Haut verankern, führt ein Verlust des Follikels zum Haarausfall.
Anscheinend gibt es auch genetische Belastungen für Alopecia areata, denn bei 25 Prozent der Betroffenen findet sich eine familiäre Häufung der Krankheit. Daneben sind aber wahrscheinlich auch Umweltfaktoren von Bedeutung, beispielsweise Stress und Infektionen. Ausserdem wird eine Assoziation mit anderen, zum Teil ebenfalls autoimmunbedingten Erkrankungen beobachtet, etwa Atopisches Ekzem, Hashimoto-Thyreoiditis, Vitiligo und Down-Syndrom.
Allgemein besteht zwischen Experten jedoch der Konsens, dass der Kollaps des Immunprivilegs des Haarfollikels die entscheidende Rolle bei der Krankheitsentstehung spielt. Dadurch wird ein Entzündungsprozess eingeleitet und die Immunzellen, darunter neben T-Zellen auch NK-Zellen (Natürliche Killerzellen), Mastzellen und dendritische Zellen, wandern ein. Die Entzündungsreaktion wird zudem auch über spezifische Zytokine vermittelt.
Kreisrunder Haarausfall – Symptome und Varianten
Meistens ist das Kapillitium, also die behaarte Kopfhaut, vom kreisrunden Haarausfall betroffen (in 70 Prozent der Fälle). Eher selten kommt es auch zum Verlust der Haare an Augenbrauen, Wimpern, Bart, Achseln und Genitalien. In Ausnahmefällen fallen sogar die Haare der Extremitäten und des Rumpfes aus. Der Haarausfall geschieht zwar meist plötzlich, ist jedoch prinzipiell reversibel.
Zum Beginn der Erkrankung entstehen meist kreisrunde, haarlose Areale am Kopf. Im Hautbefund sind die Follikelöffnungen sichtbar erhalten und von aussen sind keine Entzündungszeichen zu sehen. Der Randbereich der haarlosen Kreise zeichnet sich dadurch aus, dass sich die Haare schmerzlos herausziehen lassen. Weiterhin sind sogenannte “Ausrufezeichenhaare” charakteristisch für Alopecia areata. Ausrufezeichenhaare verdünnen sich stetig bis zum Haaransatz und symbolisieren eine plötzliche Störung des Haarwachstums.
Im weiteren Verlauf kann es zur Vergrösserung und zum Zusammenschluss der runden Areale kommen, bis hin zum kompletten Verlust der Kopfbehaarung (Alopceia totalis) beziehungsweise der gesamten Körperbehaarung (Alopecia universalis). Eine Sonderform des kreisrunden Haarausfalls stellt der Ophiasis-Typ dar. Dabei entsteht ein kahler Streifen am Hinterkopf im Bereich des Haaransatzes. Weitere klinische Präsentationsformen zeigt die anschliessende Tabelle:
Variante Charakteristische Symptome Umschriebene Alopecia areata (Alopecia areata circumscripta) Haarlose Areale auf Kopfhaut, gut abgegrenzt Alopecia totalis Vollständiger Verlust der Kopfbehaarung Alopecia universalis Vollständiger Haarverlust am ganzen Körper Alopecia areata Ophiasis Typ Bandförmiger Haarverlust am Hinterkopf Alopecia areata Sisaipho Typ Haarverlust auf oberen Kopfbereich begrenzt Alopecia areata diffusa Diffuser Haarverlust und Minderung der Haardichte Alopecia barbae Kreisförmiger Haarverlust im Bartbereich Alopecia areata der Nägel Tüpfelnägel, raue Nägel, Längsrillen
Kreisrunder Haarausfall – Diagnose
Die Diagnose bei kreisrundem Haarausfall stützt sich auf die Anamnese und vor allem auf das typische klinische Bild. Weiterhin sollten bei Verdacht auf assoziierte Erkrankungen (zum Beispiel Hashimoto-Thyreoditis) diese ausgeschlossen werden.
Die klinische Untersuchung umfasst die präzise Analyse der Haare an Kopf, Gesicht und Körper sowie der Nägel. Zudem wird die Hautoberfläche begutachtet. Dabei kann ein Dermatoskop zur mikroskopischen Betrachtung der Hautoberfläche eingesetzt werden. Typische befunde in den kreisrunden Arealen sind:
- “Black dots”: Abgebrochene Haare im Niveau der Hautoberfläche
- “Yellow dots”: Haarfollikel ohne Haarschaft, gefüllt mit zum Beispiel Talg, Keratin, Zellresten
Ausserdem kann ein Haarzupftest angewendet werden. Dieser ist dabei hilfreich, die Aktivität der Erkrankung einzuschätzen und um andere in Frage kommenden Krankheiten auszuschliessen. Beim Zupftest umgreift der Untersucher im Randbereich der haarlosen Areale ein dickes Haarbündel von circa 20 bis 50 Haaren und zieht daran. Der Test gilt als positiv, wenn mehr als zehn Prozent der umgriffenen Haare ausreissen. Ein positiver Zupftest deutet auf einen aktiven Haarausfall hin.
Eine Gewebeprobe (Biopsie) ist nur in seltenen Fällen notwendig, beispielsweise wenn anhand der anderen Methoden, also klinische Untersuchung, Dermatoskopie und Zupftest, keine Diagnosestellung möglich ist oder wenn die betroffenen Areale kein Ansprechen auf jegliche Therapieversuche zeigen.
Kreisrunder Haarausfall – Therapie und Prognose
Das übergeordnete Therapieziel der Behandlung von kreisrundem Haarausfall besteht derzeit in der Unterdrückung der Entzündungsreaktion um die Haarfollikel. Da eine Spontanremission jedoch auftreten kann, sprich dass die Haare von alleine wieder nachwachsen, wird bei einer geringen Ausprägung gegebenenfalls empfohlen, zunächst abzuwarten.
Bei einer medikamentösen Therapie kommen für leichte Fälle von Alopecia areata in erster Linie lokale Therapien zum Einsatz. Hierbei stehen stark bis sehr stark wirksame Kortikosteroide als topische (lokale) Anwendung oder Injektionen mit Triamcinolon-Kristallen in die betroffenen Areale im Vordergrund.
Handelt es sich um eine schnell fortschreitende Form oder spricht der Patient ungenügend auf die lokalen Therapiemassnahmen an, kann auch eine systemische Therapie verwendet werden. In der Regel kommt dann eine Glukokortikoid-Stosstherapie mit Prednisolon über mindestens drei Monate zum Einsatz.
Darüber hinaus ist es möglich, den kreisrunden Haarausfall mit einer topischen Immuntherapie zu behandeln. Dabei trägt man beispielsweise das Kontaktallergen DPCP (Diphenylcyclopropenon) auf die Haut auf und verursacht damit ein mildes allergisches Kontaktekzem. Diese allergische Reaktion soll die T-Zellen von den Haarfollikeln ablenken. Die Therapie ist insgesamt sehr wirksam, wird jedoch bisher nur Off-Label, also ohne offizielle Zulassung für explizit diese Erkrankung, verwendet. Als Alternative kann auch Dithranol genutzt werden, das eigentlich zur Behandlung der Schuppenflechte dient. Aufgrund des günstigen Risikoprofils von Dithranol wird dieses Medikament oft bei Kindern mit Alopecia areata eingesetzt.
Ein weiterer moderner Therapieansatz stellen JAK-Inhibitoren dar (JAK” steht für “Januskinasen”, “Inhibitor” bedeutet “Hemmer”). Januskinasen fördern normalerweise Entzündungsreaktionen, ihre Hemmung bewirkt also ein Abklingen der Entzündung. Auch diese Stoffe sind momentan noch nicht für die Therapie des kreisrunden Haarausfalls zugelassen. Aktuelle Studien versprechen jedoch bisher ermutigende Ergebnisse, vor allem für die Anwendung bei ausgeprägten Varianten und bei Alopecia totalis/universalis.
Unterstützend zur Haupttherapie kann des Weiteren Minoxidil verwendet werden. Diese Substanz verbessert die Durchblutung um die Haarfollikel und kann somit das Haarwachstum anregen.
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- Charité, Aktuelles Wissen zur Alopecia areata, https://derma.charite.de/... (letztes Abrufdatum: 21.11.2024)
- Thieme, Alopecia areata, https://viamedici.thieme.de/... (letztes Abrufdatum: 21.11.2024)
- Alopecia areata Deutschland e.V., Was ist Alopecia Areata (kreisrunder Haarausfall)?, https://kreisrunderhaarausfall.de/... (letztes Abrufdatum: 21.11.2024)
- Apotheken Umschau, Kreisrunder Haarausfall: Wenn sich “ausgestanzte” Flecken bilden, https://www.apotheken-umschau.de/... (letztes Abrufdatum: 26.08.2024)
- Universitätsspital Zürich, Kreisrunder Haarausfall (Alopecia areata), https://www.usz.ch/... (letztes Abrufdatum: 21.11.2024)