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Die Komplementärmedizin rückt im schweizerischen Gesundheitswesen zunehmend in den Vordergrund und kommt immer stärker als Ergänzung zu konventionellen schulmedizinischen Massnahmen zur Anwendung. Doch was versteht man genau unter der Komplementärmedizin? Welche Anwendungsbereiche und Behandlungsmethoden stehen hier zur Verfügung? Und worin unterscheidet sich die Komplementärmedizin von der klassischen Schulmedizin? Wissenswertes zu diesen und weiteren Fragen gibt es im folgenden Beitrag.
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Komplementärmedizin – Definition
Die Komplementärmedizin, oder auch als Alternativmedizin bezeichnet, ist ein Sammelbegriff für die abseits der wissenschaftlich orientierten Schulmedizin entstandene Heilkunde. Diese stellt alternative Heilverfahren als Ergänzung und zur Unterstützung von schulmedizinischen Massnahmen dar und umfasst verschiedene Diagnoseverfahren, Behandlungsmethoden und Heilmittel. Ziel ist es, die körpereigenen Kräfte zur Heilung zu aktivieren.
In der Schulmedizin wird die Heilung hingegen durch externe Faktoren, wie zum Beispiel Medikamente oder auch Operationen, erzielt. Im Vergleich zur Schulmedizin ist in der Komplementärmedizin die Selbstheilung des Körpers jedoch vordergründig: Patienten/-innen nehmen eine aktivere Rolle beim Gesundwerden ein als in der Schulmedizin.
Während die klassische Schulmedizin auf wissenschaftlich basierten Diagnoseverfahren und Therapiemethoden beruht, deren Wirksamkeit meist durch Studien und Experimente bestätigt wurden und den Fokus auf die Behandlung von Symptomen legt, vertraut die Komplementärmedizin auf die Selbstheilungskräfte der Klienten/-innen unter Berücksichtigung des ganzheitlichen Blicks auf den Menschen und nicht nur auf ein Symptom.
Die Einheit von Körper, Geist und Seele („biopsychosoziales Modell vom Menschen“) sowie die äusseren Umweltfaktoren werden hier gemeinsam betrachtet. Die Komplementärmedizin ist hierbei bestrebt, gestörte Funktionen im Körper wieder ins Gleichgewicht zu bringen, wobei Krankheiten als Störung dieses Gleichgewichts betrachtet werden.
Komplementärmedizin in der Schweiz
Neben der klassischen Schulmedizin ist das Interesse an Komplementärmedizin in der Bevölkerung gross und gewinnt zunehmend an Bedeutung. In der Schweiz dürfen komplementärmedizinische Leistungen dabei sowohl von Ärzten/-innen als auch von nicht-ärztlichen Therapeuten/-innen und Naturheilpraktikern/-innen angeboten werden.
Weiterhin gibt es eine allgemeine Definition der Begrifflichkeit der Komplementärmedizin von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), welche demnach ein breites Spektrum an Heilmethoden umfasst, die weder Teil landestypischer Traditionen sind noch in das allgemeine Gesundheitssystem integriert sind.
Klassifikation
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) teilt die Komplementärmedizin in fünf Gruppen ein, welche sich zum Teil überschneiden. Zu diesen Klassifikationsgruppen gehören:
- Tradierte Medizin-Systeme: Diese haben sich parallel zur traditionellen westlichen Medizin entwickelt und umfassen unter anderem die chinesische Medizin und Ayurveda. Darüber hinaus werden die meisten Verfahren der klassischen und erweiterten Naturheilkunde dieser Gruppe zugeordnet.
- Biologische Therapien: Biologische Therapien basieren auf natürlichen Substanzen, Kräutern, aromatischen Pflanzenölen (wie zum Beispiel Phytotherapie oder Aroma-Therapie), speziellen Diäten oder Vitaminen.
- Manipulative, körperbezogene Therapien: Zu diesen Therapien gehören zum Beispiel die Chirotherapie oder auch Osteopathie. Diese Verfahren beruhen auf einer manuellen Beeinflussung von einem oder mehreren Körperbereichen.
- „Körper-Geist-Therapien“: Diese sollen den Geist befähigen, Funktionen und Symptome des Körpers zu beeinflussen. Hierbei kommt eine Bandbreite von verschiedenen Techniken zur Anwendung. Zur „Körper-Geist-Therapie“ gehört dabei beispielsweise Yoga.
- „Energie-Therapien“: Diese Gruppe der Komplementärmedizin verwendet magnetische sowie körpereigene elektromagnetische Felder zur Therapie.
Komplementärmedizin – Anwendungsbereiche
Komplementärmedizinische Leistungen können in verschiedenen Anwendungsbereichen zum Einsatz kommen und bei unterschiedlichen Krankheitsbildern indiziert sein. Hierzu gehören unter anderen:
- Schmerzzustände
- Kopfschmerzen
- Depressionen
- Angstzustände
- Allergien
- Asthma bronchiale
- Schlafstörungen
- Verdauungsstörungen
- Krebserkrankungen
Bei Krebserkrankungen wird die Komplementärmedizin genutzt, um die Wirksamkeit von Chemotherapien zu verbessern und das Auftreten von unerwünschten Wirkungen abzumildern
Komplementärmedizin – Behandlungsmethoden
Die Komplementärmedizin umfasst unterschiedliche Behandlungsmethoden und nutzt hierbei bevorzugt Mittel und Methoden aus der Natur an. Auch die gleichzeitige Kombination mehrerer Therapieverfahren kommt dabei zur Anwendung. Nicht selten wird dies von Kritikern/-innen bemängelt, da in diesem Fall nicht konkret genannt werden kann, welche Methode die Heilung erbracht hat. Komplementärmediziner/-innen hingegen argumentieren den umgekehrten Weg und vertreten die Meinung, dass nicht eine Methode geholfen hat, sondern bewusst die sinnvolle Kombination mehrerer Methoden. Insbesondere die Kombination mehrerer Verfahren sei hier wirksamer als nur eine einzelne.
Wichtig ist hierbei auch zu betrachten, dass die Komplementärmedizin als alternatives Heilverfahren ebenfalls eine Ergänzung und Unterstützung der klassischen Schulmedizin darstellen und gleichzeitig mit den konventionellen Therapieansätzen aus der Schulmedizin zum Einsatz kommen kann. Dies nennt man auch “Integrative Medizin”. Welche Methoden und Ansatzmöglichkeiten die Komplementärmedizin dabei im Allgemeinen hat, wird in den nachfolgenden Abschnitten genauer erläutert.
Traditionelle chinesische Medizin
Die Traditionelle chinesische Medizin (TCM) ist über 2000 Jahre alt und war insbesondere im modernen Europa nicht weit verbreitet. Inzwischen wird diesem Ansatz jedoch grosse Beachtung geschenkt. Die Traditionelle chinesische Medizin behandelt Patienten und Patientinnen ganzheitlich und umfasst beispielsweise Methoden wie Akupunktur, Qigong und Schröpfen sowie chinesische Arzneimitteltherapie und Ernährungstherapie.
Homöopathie
Die Homöopathie stellt ein alternatives Heilverfahren dar, das auf den deutschen Arzt Samuel Hahnemann zurückgeht und unter anderem auf den Grundlagen des Ähnlichkeitsprinzips, der homöopathischen Anamnese und der Potenzierung basiert. Bei der Arzneimittelwahl werden hier individuelle Krankheitszeichen und Persönlichkeitsmerkmale des/-r Klienten/-in berücksichtigt. Von einer homöopathischen Selbstbehandlung sollte genauso wie von der Einnahme homöopathischer Mittel ohne ärztliche Rücksprache jedoch unbedingt abgesehen werden.
Osteopathie
Ziel der Osteopathie ist es, mittels wirksamer Handgriffe die Beweglichkeit zu verbessern und Selbstheilungskräfte zu aktivieren. Die Osteopathie ist dementsprechend eine Manual-Therapie und stellt eine ganzheitliche Therapieform dar, die bei vielen Beschwerden zum Einsatz kommen kann. Osteopathen/-innen arbeiten vorrangig mit den Händen und berücksichtigen bei der Behandlung von Klienten/-innen nicht nur die Knochen und den Bewegungsapparat, sondern auch Organe, Gewebe und das Nervensystem.
Phytotherapie
Die Phytotherapie gehört zu den ältesten medizinischen Therapien. Durch Anwendung von Kräutern und Heilpflanzen oder deren Bestandteilen, wie zum Beispiel Blüten, Wurzeln, Blättern oder ätherischen Ölen soll Krankheiten vorgebeugt bzw. diese gelindert oder geheilt werden. Die pflanzlichen Wirkstoffe können hierbei in Form von Tees, Tinkturen und Salben oder auch Ölen eingesetzt werden. Bekannte Heilpflanzen sind unter anderem:
- Arnika
- Johanniskraut
- Kamille
- Lavendel
- Löwenzahn
- Melisse
- Ringelblume
- Rosmarin
- Salbei
- Thymian
Cranio-Sacral-Therapie
Durch die Cranio-Sacral-Therapie, auch Schädel-Kreuzbein-Therapie, können mittels achtsamer Berührungen der Praktiker/-innen Blockaden im Körper, die sich unter anderem durch Verspannungen äussern, detektiert werden. Bei diesem manuellen Verfahren werden die Handgriffe vorwiegend im Bereich des Schädels, lateinisch cranium, sowie im Bereich des Nackens, Zungenbeins, Brustkorbs, Zwerchfells, Beckens, Kreuzbeins und der Wirbelsäule sowie der Füsse ausgeführt.
Hydrotherapie
Die Hydrotherapie (Wasserheilkunde) ist ein wissenschaftlich anerkanntes Verfahren der physikalischen Therapie, welches Wasser in allen Aggregatzuständen (Eis, kaltes, warmes und heisses Wasser sowie Dampf) zur Linderung und Heilung von akuten und chronischen Beschwerden nutzt. Die regelmässige Anwendung der Hydrotherapie trägt dabei zur Unterstützung des Immunsystems bei und befähigt den Körper zur Aktivierung der Selbstheilungskräfte.
Kinesiologie
Bei der Kinesiologie handelt es sich um die Bewegungslehre, welche ein vergleichsweises junges alternatives Heilverfahren darstellt. Im Fokus steht hier der sogenannte Muskeltest, um den Energiefluss im Körper zu ermitteln und zu detektieren, was den Körper genau belastet. In der Kinesiologie nimmt man an, dass Körper, Geist und Seele eine Einheit darstellen und nur im Einklang die Energie frei durch den Körper fliessen kann.
Naturheilverfahren
Die klassischen Naturheilverfahren bestehen aus fünf Säulen, zu denen die unten aufgeführten Therapieansätze gehören. Die genannten Verfahren kommen dabei bereits seit Jahrtausenden zur Anwendung, wobei diese im deutschsprachigen Raum insbesondere auf den Pfarrer Sebastian Kneipp (1821-1897) zurückgehen. Neben den klassischen Naturheilverfahren können auch noch weitere Techniken genannt werden, die als erweiterte Naturheilverfahren bezeichnet werden. Hierzu zählen Schröpfen, die Anwendung von Blutegeln, Eigenblutbehandlungen sowie die Ozontherapie.
- Hydrotherapie
- Bewegungstherapie
- Phytotherapie (Anwendung von Heilkräutern)
- Ernährungstherapie
- Ordnungstherapie (gesunde Lebensführung)
Weitere Behandlungsansätze
Das Spektrum der Behandlungsansätze der Komplementärmedizin ist gross. Neben den bereits genannten Ansätzen, zählen beispielsweise auch die Bachblütentherapie, Bioresonanztherapie und Elektrotherapie sowie die Magnetfeldtherapie zu möglichen Behandlungen.
Auch die Neuraltherapie, die im Jahre 1925 von Doktor Ferdinand Huneke entwickelt worden ist, zählt hierzu. Die Neuraltherapie nach Huneke stellt dabei ein Heilverfahren dar, welches zur Behandlung von sogenannten gestörten Regelkreisen zum Einsatz kommt. Zwei unterschiedliche Therapieansätze können hierbei verwendet werden: die Segmenttherapie oder die Störfeldtherapie. Bei der Segmenttherapie erfolgt dabei zum Beispiel die Gabe eines Lokalanästhetikums zur örtlichen Betäubung in den jeweiligen Körperbereich, der von einer Krankheit betroffen ist.
Das Ziel der Neuraltherapie ist hierbei die Herstellung der körpereigenen Regulationsmechanismen: einerseits soll das Nervensystems stimuliert, andererseits die biochemische Wirkung mittels Lokalanästhetikums erzielt werden. Diese Therapieform eignet sich zur Behandlung von akuten Schmerzen, beispielsweise durch Injektionen in oder an ein schmerzhaftes Gelenk bei denen ein Arzneimittel verabreicht wird.
Komplementärmedizin – Situation in der Schweiz
In der Schweiz sind bestimmte Methoden der Komplementärmedizin gesetzlich in der Grundversicherung geregelt. Zu diesen fünf komplementärmedizinischen Ansätzen gehören:
- Akupunktur
- Anthroposophische Medizin
- Arzneimitteltherapie der Traditionellen Chinesischen Medizin
- Homöopathie
- Phytotherapie
Die genannten Methoden werden dabei wie schulmedizinische Methoden auch nach dem Ärztetarif TARMED abgerechnet. Darüber hinaus werden von Krankenkassen auch komplementärmedizinische Zusatzversicherungen angeboten, die die Kosten der jeweiligen komplementärmedizinischen Leistungen übernehmen.
Die Grundversicherung gewährt jedoch nur eine Kostenübernahme der komplementärmedizinischen Leistungen, wenn diese von schulmedizinisch ausgebildeten Ärzten/-innen mit einer entsprechenden Weiterbildung praktiziert werden. Hierbei werden auch die Kosten von Arzneimittel aus der Komplementärmedizin zum Teil von den Krankenkassen übernommen, sofern diese auf der Spezialitätenliste aufgelistet sind. Die Spezialitätenliste nennt dabei zudem auch Arzneimittel aus der Phytotherapie, Anthroposophie und Homöopathie.
Passende Stellenangebote im Gesundheitswesen
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- comparis, Alternativmedizin in der Schweiz, https://www.comparis.ch/... (Abrufdatum: 04.01.2023)
- Kneipp, Hydrotherapie, https://www.kneipp.com/... (Abrufdatum: 04.01.2023)
- rheumaliga, Komplementärmedizin, https://www.rheumaliga.ch/... (Abrufdatum: 04.01.2023)
- Revue Médicale Suisse, Platz der Komplementärmedizin, https://www.revmed.ch/... (Abrufdatum: 04.01.2023)