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Das Health Technology Assessment (HTA) ist ein Bereich innerhalb der Gesundheitsbranche, der versucht, Antworten auf die steigende Ressourcenknappheit in diesem Sektor zu finden. Die Gesundheitssysteme von heute sind oft „am Limit“: Eine steigende Nachfrage nach Versorgungsleistungen, ein Mangel an Arbeitskräften und die Überlastung der Beschäftigten treffen auf veraltete Technologie, alternde Bevölkerungen und die Zunahme von Volkskrankheiten. Die Frage, „Wie kann man die Gesundheit einer Bevölkerung trotz begrenzter Mittel optimal fördern?“ ist relevanter denn je zuvor.
Dieser Artikel zeigt, wie das Health Technology Assessment (HTA), auch bekannt unter dem Begriff “Gesundheitstechnologiebewertung”, dazu beiträgt, die Situation im Gesundheitssektor zu verbessern.
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HTA – Definition
Unter Health Technology Assessment versteht man die systematische Bewertung von Leistungen im gesamten Bereich der Gesundheits- und Krankheitsversorgung: Gesundheitsförderung und Prävention, Screening, Diagnose, Therapie, Rehabilitation und Langzeitpflege. Als Gesundheitstechnologien gelten demzufolge Arzneimittel, Geräte und Implantate, medizinische und pflegerische Prozeduren, diagnostische und therapeutische Interventionen, aber auch Organisations- und Managementsysteme.
Die Bewertung dieser Technologien erfolgt multidisziplinär und beleuchtet sowohl medizinische, wirtschaftliche, soziale, ethische, rechtliche als auch organisatorische Aspekte. In diesem Sinne ist Health Technology Assessment eng mit dem Konzept der „Evidence-based Medicine“ (EBM) verflochten.
Während EBM darauf abzielt, wissenschaftliche Evidenz aus Forschungsstudien für die klinische Praxis nutzbar zu machen, um die Qualität der Behandlung für den einzelnen Patienten zu verbessern, geht es bei HTA um eine Bewertung auf Systemebene, die gesundheitspolitische Entscheidungen beeinflusst.
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Ziele
Das Ziel von Health Technology Assessment ist, die Leistung von Gesundheitssystemen zu verbessern. Dabei führt die WHO drei Kriterien auf, die für ein gutes Gesundheitssystem ausschlaggebend sind:
- Qualitative Hochwertigkeit der Versorgung
- Effizienz, d.h. die Maximierung der Gesundheit aus begrenzten Ressourcen
- Fairness, sowohl bei der Finanzierung der Kosten des Gesundheitssystems als auch beim Zugang zur Versorgung
Um diese Ziele zu erreichen, wurden seit den 1980er-Jahren in vielen Ländern mit Sozialversicherungssystemen (wie Deutschland, Holland, Frankreich und die Schweiz) „HTA Organisationen“ gegründet, die einerseits HTAs als unabhängige Berichte mit Empfehlungen erstellen, und andererseits HTAs als Grundlage für Vergütungsentscheide nutzen.
HTA und die obligatorische Krankenpflegeversicherung
Die zentrale Problematik von HTA-Berichten ist die Frage, welche Gesundheitstechnologien für welche Patienten genutzt werden sollten, um eine möglichst große Kosteneffektivität („value für money“) zu erhalten. Health Technology Assessment versucht, politischen Entscheidungsträgern eine Vorstellung vom Wert der Investitionsentscheidungen im Gesundheitswesen zu geben. Dabei geht es darum, welche Gesundheitsleistungen von einem Gesundheitssystem bezahlt (oder erstattet) werden, und welche mit begrenzten Ressourcen nicht bezahlt werden können.
Demnach haben HTAs auch großen Einfluss auf die Vergütungsentscheide der obligatorischen Krankenpflegeversicherung.
HTA – Ablauf
Das Anfertigen eines HTA-Berichts folgt einem festen Schema, das in den folgenden Abschnitten detailliert aufgezeigt wird.
Identifizierung eines geeigneten Themas
Der erste Schritt ist die Identifikation eines geeigneten Themas für eine HTA Bewertung. In der Schweiz kann prinzipiell jede Bürgerin und jeder Bürger Themen für HTAs vorschlagen, sofern diese die Auswahlkriterien erfüllen: Zum Einen muss es sich um eine Leistung handeln, deren Effizienz umstritten ist und die finanzpolitisch von Bedeutung ist. Zum Anderen muss belegt werden, dass die besagte Leistung durch regulative Massnahmen tatsächlich verbessert werden könnte, und dass solche Massnahmen technisch überhaupt machbar sind.
Alternativ bieten die Eidgenössische Kommission für allgemeine Leistungen und Grundsatzfragen (ELGK) und die Eidgenössische Ausgleichskasse (EAK) eigene Empfehlungen zu potenziellen Themen für neue HTA-Berichte an.
Preliminäre Analyse und Ausarbeitung einer Fragestellung
In diesem Schritt geht es darum, das Thema grob zu umreissen und externe Experten für eine potenzielle Zusammenarbeit anzuwerben. Gerade der letztere Schritt kann, je nach Thema, einige Zeit in Anspruch nehmen.
Erstellung eines HTA-Protokolls
Hat man einen externen Experten gefunden, befasst sich dieser nun detailliert mit der Fragestellung und der Methodik des HTA-Projekts. Er erstellt ein HTA-Protokoll, das er an vier oder fünf unabhängige Experten zur Begutachtung weiterleitet. Anschliessend haben verschiedene Interessensgruppen wie Krankenversicherungen, Patientenorganisationen, Berufsgenossenschaften und die Pharmaindustrie Gelegenheit, das Protokoll zu kommentieren, bevor es auf der HTA Webseite veröffentlicht wird.
Erstellung des HTA Berichts
Im eigentlichen HTA-Bericht beantwortet der externe Experte die Forschungsfrage, indem er den aktuellen wissenschaftlichen Forschungsstand sowie rechtliche, soziale, ethische und organisatorische Aspekte mit einbezieht. Diese Bewertung kann sechs bis zwölf Monate in Anspruch nehmen. Anschliessend leitet er ihn nochmals an das unabhängige Expertengremium und die unterschiedlichen Interessensgruppen weiter, bevor er in der finalisierten Form auf der HTA-Webseite erscheint.
Bewertung des HTA Berichts
In der Schweiz bewertet eine ausserparlamentarische Kommission den fertigen HTA-Bericht. Sie spricht anschliessend eine Empfehlung an das Eidgenössische Department des Innern (EDI) oder das Bundesamt für Gesundheit (BAG) aus.
Entscheidung über die Implementierung der Handlungsempfehlungen
Auf der Basis der in dem HTA-Bericht dargelegten Handlungsempfehlungen entscheiden politische Führungsspitzen über die Implementierung der Empfehlungen. Darauf aufbauend veröffentlichen sie im Anschluss ihre Entscheidung.
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HTA in der Schweiz
In der Schweiz war bis 2022 das Swiss Medical Board das führende Kompetenzzentrum für Health Technology Assessment. Es entstand 2011 als Pilotprojekt, um medizinische Massnahmen auf ihr Kosten-Nutzen-Verhältnis zu analysieren. Der Erfolg des SMB veranlasste den Bund im Rahmen der „Gesundheitsstrategie 2030“, ein ähnliches Programm zur Überprüfung von potenziell unwirtschaftlichen Leistungen der Krankenpflegeversicherung auf den Weg zu bringen. Das SMB wurde dadurch obsolet.
Heute finden alle HTA-Aktivitäten des Bundes unter den Auspizen des Schweizer Netzwerks für Gesundheitstechnologiebewertung (Swiss Network for Health Technology Assessment, kurz SNHTA), respektive des BAG statt. Die gesetzliche Grundlage dieser HTA-Programme ist der Art. 32 des KVG (SR 832.10). Er besagt, dass medizinische Dienstleistungen, die von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung übernommen werden, den Kriterien der Effizienz, Angemessenheit und Wirtschaftlichkeit genügen müssen.
Dementsprechend liegt der Fokus der HTA-Aktivität auf der Evaluation von Gesundheitsleistungen, die diese Anforderungen möglicherweise nicht (mehr) erfüllen, um diese entweder von der Liste der erstattungsfähigen Leistungen zu eliminieren, oder ihre Erstattbarkeit zu begrenzen. Demgegenüber bewertet man aber auch Gesundheitsleistungen, die (momentan noch) nicht erstattungsfähig sind, es aber in der Zukunft sein könnten.
Das SNHTA arbeitet mit verschiedensten nationalen und internationalen Partnern zusammen, darunter das European Network for Health Technology Assessment (EUnetHTA), das International Network of Agencies for Health Technology Assessment (INAHTA), das Health Technology Assessment international (HTAi), das international HealthTechScan (i-HTS) und die International Horizon Scanning Initiative (IHSI).
HTA in Europa
Auf europäischer Ebene verfolgt die EU-Kommission das Ziel, die Harmonisierung von nationalen Gesetzgebungsprozessen auch auf die Erstellung von HTAs auszudehnen. Nach anfänglicher Förderung ausschliesslich freiwilliger Kooperationen zwischen HTA-Institutionen der EU-Mitgliedsstaaten hat die Kommission mittlerweile mit der EU-Richtlinie 2021/2282 einen gesetzlichen Rahmen geschaffen, der klinische Nutzenbewertungen auf der EU-Ebene ab 2025 obligatorisch zentralisieren wird.
Als Argumente für eine solche Zentralisierung gelten insbesondere die Vermeidung von Doppelarbeit, Planungssicherheit für die Hersteller von Arzneimitteln und Medizinprodukten, Marktharmonisierung sowie ein einheitlicher und zügiger Zugang von Patienten zu Innovationen. Wichtig ist ausserdem, dass auch zukünftig die Evaluierung der sozialrechtlichen, ökonomischen und ethischen Aspekte der Gesundheitsleistungen – und damit die endgültige Entscheidung über die Bepreisung und Erstattbarkeit von Gesundheitsleistungen – in der Hoheit der Mitgliedsstaaten verbleiben soll.
HTA-Projekte
Die folgende Tabelle stellt einen Auszug aus den sich in der Schweiz derzeit in Bearbeitung befindlichen HTA-Projekte dar:
HTA-Projekt | Ziele/Ergebnisse |
Thermoablation bei benignen Schilddrüsenknoten | n/a |
Kortisonspritzentherapien bei chronischen Sehnen(scheiden)entzündungen | n/a |
Physiotherapie bei Halswirbelsäulensyndrom | n/a |
Oberflächen/Tiefe Wärmebehandlung in der Physiotherapie bei muskuloskelettalen Beschwerden | n/a |
Die bronchiale Thermoplastik bei schwerem Asthma | n/a |
Baldrianextrakt bei Schlafstörungen, Angst- oder Unruhezuständen | n/a |
Intraartikuläre Glukokortikoidspritzentherapien bei Osteoarthritis der Hüfte/des Knies | Kosten-Nutzen-Evaluation von intraartikulären Kortisonspritzentherapien bei Hüft/Kniearthritis |
Rolle von CGRP-Antagonisten bei der Prävention von chronischer und episodischer Migräne | CGRP-Antagonisten reduzieren die Gesamtanzahl an Migränetagen, und sollten daher preislich günstiger angeboten werden |
Operative vs medikamentöse Therapie zur Verbesserung des Blutflusses bei Patienten mit chron. kardiovaskulären Erkrankungen | Bypass-OPs sind einer alleinigen medikamentösen Therapie überlegen. |
Behandlungsdauer von Trastuzumab bei frühem HER2-positivem Brustkrebs | Das Ziel ist die Kosten-Nutzen-Evaluation der Erstattungskriterien von Trastuzumab bei 12-monatiger Anwendung |
Folsäuretests bei Verdacht auf Folsäuremangel | Evaluation des Kosten-Nutzen-Verhältnisses von Folsäuretests bei symptomfreien Personen und Personen mit V.a. Folsäuremangel |
CAR-T-Zelltherapien | Kosten-Nutzen-Evaluation von Tisagenlecleucel (Kymriah) und axicabtagene ciloleucel (Yescarta) bei B-Zell-Lymphom |
Orale Antikoagulanzien zur Prävention von Schlaganfällen und systemischen Embolien bei Personen mit nicht-valvulärem Kammerflimmern | Direkte orale Antikoagulanzien (DOAKS) haben eine vorteilhaftere Kosten-Nutzen-Ratio als Vit K-Antagonisten (VKAs) |
Ein vollständiger Überblick über alle sich in Bearbeitung befindlichen oder bereits abgeschlossenen HTA-Projekte kann auf der Webseite der BAG abgerufen werden.
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